
Bildungswege
C. berichtet über ihre älteste Tochter
Bevor C. mit ihrer Familie nach Deutschland ging, gab ihr ihre Schwester, eine iranische Lehrerin und Schulpsychologin, Folgendes mit auf den Weg:
"Ihr als Eltern seid die wichtigsten Personen, wenn es um die Ausbildung eurer Kinder geht. Keiner kann sich so um eure Kinder kümmern wie ihr. Deshalb solltet ihr alles daransetzen, sie zu unterstützen. Egal, wie das Schulsystem ist, du hast die Hauptverantwortung und das stärkste Interesse daran, dass sie weiterkommen und im Leben erfolgreich sind."
C. berichtet:
Wir haben 4 Kinder: 2 Töchter und 2 Söhne.
Als unsere Familie im Februar 1991 nach Deutschland kam, war unsere älteste Tochter 12 Jahre alt. Zuhause im Iran war sie sehr gut in der Schule gewesen. Sie hatte Deutsch schreiben und lesen gelernt, konnte aber kaum Texte verstehen. Hier besuchte sie bis zum Schuljahresende einen Deutschkurs für Seiteneinsteiger in einer Gesamtschule und nahm auch an einigen Stunden des Regelunterrichts einer 7. Klasse teil.
Wir standen unter anderem vor dem großen Problem, dass 2 Jahre Englischunterricht nachzuholen waren, weil sie im Iran erst im 7. Schuljahr mit dieser Sprache begonnen hatte. Ihre Tante, meine Schwester, schickte ihr 5 Bücher Unterrichtsmaterial aus dem Iran. Die hat unsere Tochter mit meiner Hilfe zwischen März 91 und dem Ende der Sommerferien durchgearbeitet.
In einem der hiesigen Gymnasien gab es einen Platz in einer 7. Klasse, die mit Latein als 2. Fremdsprache begann. Ich überzeugte meine Tochter, dass es das Beste für sie wäre, die 7. Klasse freiwillig zu wiederholen. Sie war einverstanden. Gemeinsam suchten wir nun nach Möglichkeiten, ihr Deutsch weiter zu verbessern. Sie nahm die Einladung einer deutschen Tante an, einige Wochen der Sommerferien bei ihr mit einer jüngeren Kusine zu verbringen, wo es auch eine Großmutter gab, die Deutsch sprach.
Sie wurde ins Gymnasium aufgenommen und übte mit mir weiter die Englisch-Lektionen. Nur ein halbes Jahr bekam sie keine Noten in Deutsch und Englisch, danach konnte sie benotet werden wie die anderen Kinder der Klasse.
In den Sommerferien nach dem 7. Schuljahr waren bei uns Verwandte zu Besuch, die ebenfalls mit ihr Englisch übten. Sie stand danach auf 3. In Deutsch hatte sie im 1. Halbjahr des 8. Schuljahres eine 3 und am Schuljahresende schon eine 2. Ihre Lehrer freuten sich mit ihr. Da sie in den naturwissenschaftlichen Fächern schon immer gute Noten hatte, gab es ab da keine schulischen Probleme mehr.
Sie war im 10.Schuljahr, als sie den Eindruck hatte, in ihren Texten ein zu einfaches Deutsch zu schreiben. Sie besorgte sich einen Fremdwörterduden, las intensiv darin und bemühte sich, ihren Wortschatz zu erweitern.
Sie hat ein gutes Abitur abgelegt und ist heute Dr. der Pharmazie.